Backstein-Rohbau im Zeitalter der Industrialisierung
Open access
Author
Date
2021Type
- Doctoral Thesis
ETH Bibliography
yes
Altmetrics
Abstract
In der Geschichte des Backsteins spielte das 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle. Der im deutschsprachigen Raum im Mittelalter sehr präsente, in der Renaissance und im Barock jedoch mehrheitlich hinter Kulissen aus Putz und Werkstein verbannte Mauerziegel kam im 19. Jahrhundert auch an der Fassade wieder zum Vorschein. Ausgehend von einigen frühen Initialbauten der 1820er Jahre entfaltete sich ein Phänomen, das zeitgenössisch als ›Backstein-Rohbau‹ bezeichnet wurde. Anders als heute, wo ›Rohbau‹ ein noch unfertiges Bauwerk meint, beschrieb der Terminus im 19. Jahrhundert Gebäude mit bewusst backsteinsichtig ausgeführten repräsentativen Fassaden.
Gewöhnliche Ziegel wurden dabei für den sichtbaren Einsatz ästhetisch wie bauphysikalisch als unbefriedigend angesehen, weshalb schon seit Beginn des Backstein-Rohbaus im 19. Jahrhundert für die Außenhaut besonders hergestellte sogenannte ›Verblendsteine‹ verwendet wurden. Im deutschsprachigen Raum gab Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) in Berlin die wichtigsten Anstöße zu dieser Entwicklung. Schon mit seinen ersten Bauten begann er, die technischen Möglichkeiten des Materials auszureizen. Das von ihm angestrebte Ideal möglichst glatter und scharfkantiger Steine blieb für den Rest des 19. Jahrhunderts prägend und führte vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Industrialisierung zu tiefgreifenden Veränderungen im Herstellungs- und Bauprozess.
Der Backstein-Rohbau des 19. Jahrhunderts wurde in der Architekturgeschichte aus einer an seiner Formensprache interessierten kunstgeschichtlichen Sicht schon umfangreich betrachtet, interessanterweise sind die zugrundeliegenden bautechnischen Aspekte jedoch bis jetzt nur punktuell beachtet worden. Dabei waren ästhetische und technische Entwicklungen untrennbar miteinander verknüpft: Erst durch technische Umstellungen im Herstellungsprozess konnten die ästhetischen Ansprüche der Architekten befriedigt werden, während die mehr und mehr verstetigte und etablierte Produktpalette der Verblendsteine eine backsteinsichtige Fassadenausführung begünstigte. Gerade die Backstein-Rohbauten des späten 19. Jahrhunderts, die sich in den gründerzeitlichen Vierteln jeder größeren deutschsprachigen Stadt finden, sind ohne das Wissen über die Hintergründe der seit 1879 standardisierten, als Massenware erhältlichen Verblendziegel auch in ihrer künstlerischen Dimension nicht verständlich.
Mit Fokus auf die zwei Zentren des deutschen Sichtbacksteinbaus, München sowie ganz besonders Berlin (der Hauptstadt des Backstein-Rohbaus) untersucht diese Arbeit den für die Architektur des 19. Jahrhunderts so prägenden Sichtbackstein aus bautechnikgeschichtlicher Sicht. Ausgehend von konstruktiven Fragestellungen erschließt sich der Backstein-Rohbau als komplexes Phänomen, das nicht einfach als künstlerische Strömung verstanden werden kann, sondern eingebettet war in ein dynamisches Spannungsfeld zwischen ästhetischen Vorstellungen, technischen Möglichkeiten und ökonomischen sowie politischen Rahmenbedingungen. Der Bogen der Arbeit spannt von den ersten Bauten Schinkels über die Herausbildung eines lokal verankerten Verblendgewerbes bis zum Aufbau einer zentralisierten Verblendziegelindustrie in der Gründerzeit, die das Baugewerbe in kürzester Zeit weitreichend umwandelte. Den Abschluss bildet eine Betrachtung der Umstände, die zum Untergang des Backstein-Rohbaus und der damit verbundenen Verblendziegelindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten. Show more
Permanent link
https://doi.org/10.3929/ethz-b-000475553Publication status
publishedExternal links
Search print copy at ETH Library
Publisher
ETH ZurichSubject
Backstein; Industrialisierung; Brick; Brick architecture; Construction History; bautechnikgeschichte; RohbauOrganisational unit
09581 - Holzer, Stefan M. / Holzer, Stefan M.
Related publications and datasets
Is previous version of: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000546683
More
Show all metadata
ETH Bibliography
yes
Altmetrics